Die Reform unserer Altersvorsorge ist 2017 ein dominierendes politisches Thema. Dass die Vorsorge Reformbedarf aufweist, ist unbestritten. Doch weshalb ist unser Vorsorgesystem überhaupt in eine finanzielle Schieflage geraten?

Kurzfassung (tl;dr):

Wir werden immer älter und beziehen damit immer länger eine Rente. Da es zudem aufgrund des demographischen Wandels immer mehr Rentner gibt, ist die AHV nicht mehr finanzierbar. Das gleiche gilt für die Pensionskasse, welche aufgrund des gesetzlich festgelegten Umwandlungssatzes zu hohe Renten auszahlen muss. Die Massnahmen dagegen sind simpel, aber unpopulär: Entweder zahlen wir höhere Beiträge, arbeiten länger und/oder erhalten tiefere Renten.

Das 3-Säulen System

Als Einstieg eine kurze Auffrischung: Das Vorsorgesystem der Schweiz besteht aus 3 Säulen. Die erste Säule ist die AHV, die zweite Säule die berufliche Vorsorge (BVG) und die dritte Säule die private Vorsorge. Bei der AHV zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeden Monat einen Prozentsatz vom Lohn in einen Topf. Aus diesem Topf erhalten die Pensionäre ihre monatlichen AHV-Renten. Ich spare also nicht direkt für mich selber, sondern zahle heute direkt die Renten der heutigen Pensionäre. Deshalb spricht man auch von einem Umlageverfahren bzw. einem Generationenvertrag. Bei der beruflichen Vorsorge (BVG) spare ich für mich selber. Mein Arbeitgeber und ich zahlen jeden Monat einen Prozentsatz meines Lohns in einen Topf. Wenn ich pensioniert werde, kann ich entweder das angesparte Kapital beziehen oder mir davon eine Rente auszahlen lassen. Hier spricht man von einem Kapitaldeckungsverfahren.

Das folgende dreiminütige Video des Schweizerischen Versicherungsverbandes erklärt ebenfalls kurz die Grundlagen der Altersvorsorge:

 

Gründe für den Reformbedarf

Die Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV wurde 1948 eingeführt. Damals betrug die Lebenserwartung für Männer ca. 77 Jahre und für Frauen ca. 78 Jahre. Es gab somit viel mehr Einzahler als Bezüger. Man bezahlte also ab dem 18. Altersjahr bis zur Pensionierung in den AHV-Topf ein und bezog nur während ca. 12-14 Jahren Leistungen daraus. Mit der stetig steigenden Lebenserwartung hat sich das Bild geändert. Heute werden Männer durchschnittlich 81.5 Jahre und Frauen 85.3 Jahre alt. Die heutigen Rentner beziehen also fast 20 Jahre lang eine AHV-Rente. Und die Lebenserwartung wird weiter steigen, auf 90.7 bzw. 93.3 Jahre im Jahr 2030. Die Beitragsdauer von 18-65 Jahre (bzw. 64) blieb bislang aber immer unverändert.

Erschwerend kommt der demographische Wandel hinzu, weil nun die Babyboomer-Generation ins Rentenalter kommt. Von Mitte der 50er bis Mitte der 60er Jahren gab es geburtenstarke Jahrgänge, die nun nach und nach alle eine Rente beziehen. Es gibt also auch in absoluten Zahlen immer mehr Rentenbezüger. Aktuell ist das Verhältnis 1:4, auf einen Rentner kommen vier Erwerbstätige. Bei der Einführung der AHV 1948 waren es noch 15 Erwerbstätige pro Rentenbezüger. Die Szenarien des Bundes gehen davon aus, dass es schon bald nur noch ein Verhältnis von 1:2 sein wird. Ich muss also mit meinem monatlichen AHV-Beitrag direkt die Hälfte der AHV-Rente eines Pensionärs bezahlen.

Bei der Pensionskasse (BVG) sieht das Bild leider nicht besser aus. Im obligatorischen Teil (d.h. bis CHF 84’600) muss die Pensionskasse einen gesetzlich vorgeschriebenen Umwandlungssatz von 6.8% anwenden. Wenn ich beispielsweise durch die BVG-Beiträge von mir und meinem Arbeitgeber CHF 100’000 Kapital angespart habe, erhalte ich davon jährlich 6.8% = CHF 6’800 an Rente. Dies bedeutet aber, dass nach 14.7 Jahren mein Kapital aufgebraucht ist. Auch hier stammt die Berechnungsgrundlage einerseits noch aus einer Zeit mit tieferer Lebenserwartung.

Andererseits erhalten die Pensionskassen heute an den Aktienmärkten weniger Rendite auf das investierte Kapital als früher. Die Pensionskasse ist aber verpflichtet, mir bis ans Lebensende die Rente auszubezahlen, auch wenn ich älter als 79.7 Jahre werde und das Kapital eigentlich aufgebraucht ist. Die Pensionskassen müssen diese Leistungen somit quersubventionieren. Dies geschieht einerseits aus dem überobligatorischen Teil (> CHF 84’600), wo der Umwandlungssatz nicht gesetzlich geregelt und damit viel tiefer ist (ca. 5%). Andererseits müssen die Gelder heutigen Beitragszahler dazu verwendet werden, was nicht dem Kapitaldeckungsverfahren entspricht.

Mögliche Massnahmen

Das System der Schweizerischen Altersvorsorge ist im Prinzip relativ simpel, entsprechend gibt es eigentlich auch wenig Stellhebel, die verändert werden können. Rein mathematisch kommen folgende grundsätzlichen Massnahmen in Frage:

AHV

  1. Erhöhung der AHV-Beiträge, damit mehr Geld in den Rententopf fliesst.
  2. Reduktion der AHV-Renten, damit weniger Geld aus dem Rententopf bezogen wird.
  3. Erhöhung des Rentenalters, damit länger einbezahlt und weniger lang Geld bezogen wird.
  4. Einführung/Erhöhung einer anderen Steuer (z.B. Mehrwertsteuer), die den Rententopf alimentiert.

Pensionskasse

  1. Erhöhung der BVG-Beiträge, damit mehr Kapital angespart wird.
  2. Reduktion des Umwandlungssatzes, damit das angesparte Kapital länger reicht.
  3. Erhöhung des Rentenalters, damit länger einbezahlt und weniger lang Geld bezogen wird.

Selbstverständlich sind all diese Massnahmen unpopulär, denn niemand möchte mehr zahlen, länger arbeiten und/oder weniger erhalten. Aber wir können das Problem drehen und wenden, wie wir wollen, dies sind am Ende des Tages die einzigen Massnahmen.

Und was schlägt das Parlament nun vor?

Ich hoffe, dass ich euch in einfachen Worten den Reformbedarf unserer Altersvorsorge erklären konnte. Selbstverständlich habe ich dabei mit dem breiten Pinsel gemalt und viele Details übersprungen. In meinem nächsten Artikel zeige ich euch dann auf, wie die Diskussion im Parlament verlief und was schlussendlich als Kompromissvorschlag dabei herauskam.