Vor ein paar Tagen bemängelte der Investor Roland Zeller, dass Startup-Unternehmer keinen Anspruch auf Arbeitslosengelder haben, aber verpflichtet sind, Beiträge zu bezahlen. Oliver Flückiger nahm den Ball auf und auf Facebook und Twitter fand das Thema grossen Zuspruch. Als Unternehmer und liberaler Politiker versuche ich hier, eine politische Würdigung der Thematik vorzunehmen.

Die Arbeitslosenversicherung (ALV) soll unverschuldete Härtefälle im Arbeitsmarkt abdecken. Nebst den klassischen Arbeitslosengeldern springt die ALV auch ein, wenn ein Betrieb auf Kurzarbeit umstellen muss oder wetterbedingt Kündigungen nötig wären. Sie soll das letzte Sicherungsnetz sein, wenn viele andere (private) Massnahmen nicht gegriffen haben.

Die ALV stellt sich nun auf den Standpunkt, dass nur Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengelder haben, die unverschuldet ihre Stelle verloren haben. Ist jemand in seinem eigenen Betrieb angestellt bzw. hat massgeblich Einfluss auf den Geschäftsbetrieb, ist gemäss Einschätzung der ALV die Arbeitslosigkeit im Konkursfall selber verantwortet. Dieser Einschätzung stimme ich grundsätzlich zu. Jeder Selbständige weiss, dass er ein Risiko eingeht und wägt dies gegen das entsprechende Upside-Potential ab.

Weiter argumentiert die ALV mit dem Missbrauchspotential. Theoretisch könnte man ein Unternehmen gründen, sich selber einen hohen Lohn ausbezahlen, das Unternehmen Konkurs gehen lassen und dann Arbeitslosengelder beziehen. Diese Argumentation stört mich sehr. Wegen einzelnen bzw. hypothetischen Missbrauchsfällen straft man alle ehrlich arbeitenden Unternehmer ab. Einmal mehr hat man quasi lieber eine Regel, die für alle gleich schlecht ist, als eine pragmatische Handhabung von Einzelfällen.

 

Ich habe aber auch meine Mühe mit der Vorstellung, dass die Aussicht auf Arbeitslosengelder das Unternehmertum irgendwie fördern soll. Wenn jemand nur deshalb ein Unternehmen gründet, weil er im Misserfolgsfall Arbeitslosengelder erhält, verfügt er sowieso nicht über das nötige Unternehmer-Gen. Ich wehre mich gegen eine solche Vollkasko-Mentalität, welche auch sonst überall um sich greift. Bei den Startup-Gründern handelt es sich zudem gefühlt um 98% Hochschulabsolventen. Dort hat der Staat schon sehr viel Geld in die Ausbildung investiert und diese sollten arbeitsmarktfähig sein. Der Staat soll gute Rahmenbedingungen schaffen, aber nicht unternehmerische Risiken minimieren.

Die angesprochenen Diskussionen drehen sich übrigens ausschliesslich um Startups, d.h. Jungunternehmen mit einem komplett neuen Produkt bzw. Service und/oder komplett neuen Geschäftsmodellen. Startups erforschen per Definition auf der Suche neue Märkte und gehen damit ein hohes Risiko ein. Das finanzielle Risiko bezieht sich aber primär auf Opportunitätskosten (im Sinne von entgangenem Lohn), denn das eigentliche Kapital stammt von Investoren. Die meisten der jungen Startup-Unternehmer starten mit null Vermögen und sind nach einem geschäftlichen Misserfolg quasi gleich weit wie vorher und finanziell nicht schlechter gestellt.

Wir dürfen uns bei der Diskussion aber auch nicht nur auf diese Startups fokussieren, denn die ALV-Regelung gilt für alle Personen mit einer «arbeitgeberähnlichen Stellung». Das heisst, wir müssen in unsere Analyse auch den Schreiner und das Nagelstudio miteinbeziehen. Diese fallen nicht unter die allgemeine Definition von Startups, da es sich um etablierte Produkte/Services sowie bekannte Geschäftsmodelle handelt. Selbstverständlich ist mein Respekt nicht weniger gross, wenn sich jemand mit so einem Geschäft eine wirtschaftliche Selbständigkeit aufbauen kann. Aber es sind noch lange nicht alle Jungunternehmer 80 Stunden pro Woche hart arbeitend am Erschaffen des nächsten Google. Hier habe ich beispielsweise dann auch Mühe damit, wenn einer gerade mit dem Job unzufrieden ist, sich das Pensionskassen-Guthaben auszahlen lässt und ein Restaurant eröffnet – welches er dann nach einem Jahr schliessen muss und er anschliessend ohne Vermögen dem Staat auf der Tasche liegt.

Zusammenfassend kann ich mich als liberaler Politiker nicht anfreunden mit dem Ruf nach Arbeitslosengelder für gescheiterte Startup-Unternehmer. Ich würde somit nicht von einem Skandal sprechen, aber doch von einer Ungerechtigkeit. Denn auch ich störe mich daran, dass sie (wir…) in eine Versicherung einbezahlen, von der sie nie profitieren können. Konsequenterweise sollten Personen mit einer «arbeitgeberähnlichen Stellung» von ALV-Zahlungen ausgenommen werden.

Als Gedankenspiel könnte man sich auch überlegen, wie eine private «Versicherung» aussehen könnte. Als Startup könnte ich in eine Art Fonds einzahlen, der mich im Fall der Arbeitslosigkeit nach einem Konkurs unterstützt. Oder ein Promillesatz der Finanzierungsrunde bzw. des Exits gehen in einen solchen Fonds. Vielleicht bräuchte es generell im Bereich der Vorsorge (BVG) eine Branchenlösung für Startups?