Mit grossem Interesse habe ich den Gastbeitrag von Prof. Dan Ariely im Blog des von mir sehr geschätzten Tim Ferriss gelesen: Konkret geht es um die Frage, wie wir uns davor schützen können, uns selbst zu erschöpfen bzw. aufzuzehren («depletion» trifft es irgendwie besser). Warum setzen wir uns nach einem strengen Arbeitstag lieber mit einer Packung Chips vor den Fernseher, statt eine Runde joggen zu gehen? Weshalb beenden wir jede Diät nach 1-2 Wochen, obwohl wir uns doch so fest vorgenommen haben, dieses Mal durchzuhalten?

Prof. Ariely geht davon aus, dass es quasi eine bestimmte Anzahl Entscheidungen pro Tag gibt, die wir fähig sind zu treffen. Ist diese Anzahl z.B. durch unzählige geschäftliche Entscheidungen «aufgebraucht», fehlt uns die Kraft, weiterhin diszipliniert zu sein und eben trotz Müdigkeit noch ins Fitnesscenter zu gehen. Er und seine Kollegen konnten dies mit diversen wissenschaftlichen Experimenten recht eindrücklich nachweisen. Wer sowieso schon unter Druck ist, dem fehlt irgendwann der Wille und die Kraft, konsequent (s)einem Ideal nachzuleben. Dies geht sogar so weit, dass wir irgendwann auch moralische Grundsätze über Bord werfen.

Die Frage ist auch, welche Implikationen dies auf die Geschäftswelt hat: Nicht ohne Grund hat die Woche nur 5 Arbeitstage und 2 Tage sind für das Weekend reserviert. Wenn nun aber Arbeitgeber die ständige Erreichbarkeit fordern und Mails auch am Wochenende bearbeitet werden müssen, fehlt genau diese Zeit der «Entscheidlosigkeit». Glaubt man den Experimenten, resultieren daraus nicht nur ausgebrannte Mitarbeiter, sondern schlicht auch schlechte Entscheide.

Man mag einwenden, dass dies ja dem gesunden Menschenverstand entspricht und jeder schon selber unzählige Male erlebt hat. Klar, aber was sind die Konsequenzen daraus? Gemäss Prof. Ariely liegt der Schlüssel darin, den Fakt schlicht zu akzeptieren – und entsprechend zu planen. Geben wir uns doch gewissen Versuchungen hin (z.B. ein Dessert zum Kaffee nach dem Mittagessen), um dafür aber ganz bewusst Kapazität zu haben, andere (wichtigere) Entscheide durchzuziehen. Im Normalfall lassen wir nämlich den Tag einfach geschehen: Am Morgen stehen wir mit viel Elan auf und im Verlauf des Tages verlässt uns irgendwann die Kraft, alle unsere Vorsätze durchzuziehen, so dass wir am Ende mit der Packung Chips vor dem Fernseher landen.

Ich brauchte zum Beispiel relativ lange, um auch einfach mal einen «faulen» Sonntag ohne Programm und Produktivität akzeptieren und geniessen zu können. Nebst dem reinen Planen und Akzeptieren der «Nicht-Entscheidungsfähigkeit» habe ich für mich aber noch weitere Massnahmen getroffen. Konkret habe ich es für mich «Reduktion der Anzahl Interaktionen» genannt: Arbeitstage mit 5-6 Meetings, einem Dutzend Anrufe und 30-40 zu bearbeitenden Mails (mit konkreten Aufgaben für mich) lassen einem schlicht erschöpft zurück. Deshalb versuche ich wenn immer möglich, diese Interaktionen zu reduzieren und zwar durch:

  • Delegieren: Alles was nicht unbedingt von mir bearbeitet und/oder entschieden werden muss, soll von der entsprechenden Person selbst erledigt werden. Sowohl Kunden wie auch Mitarbeiter benötigen ein bisschen Zeit, um das wirklich zu akzeptieren. Ich persönlich muss dabei aufpassen, dass ich nicht selbst den Eindruck erhalte, nichts mehr zu arbeiten und alles «abzudelegieren».
  • Automatisieren: Ich bin eh ein Tool-Freak, entsprechend bin ich sowieso immer auf der Suche nach Möglichkeiten, noch mehr Dinge zu automatisieren und zu vereinfachen, damit sie ohne meine Interaktion funktionieren.
  • Einfachheit: Ich empfehle hierzu einerseits das Buch «Focus» von Leo Babauta sowie das Video zu Barry Schwartz› Vortrag «The Paradox of Choice» an einem Google TechTalk. Unsere Welt ist so komplex, dass wir eh nicht mehr den vollen Überblick haben und dauernd abgelenkt sind. Und überdies treffen wir dann auch noch die schlechteren Entscheide und sind unzufrieden. Nicht umsonst lautet auch in der Armee einer der Gefechtsgrundsätze «Einfachheit der Aktion».
  • Hermetisch schreiben: Ich telefoniere nicht gerne, obwohl es in vielen Fällen effizienter wäre. Ich achte aber bei meinen Mails darauf, dass sie klar, vollständig und abschliessend sind, also möglichst keine Rückfragen nach sich ziehen. Sascha Lobo nennt dies «Hermetisches Schreiben».

Die meisten Punkte sind generelle Massnahmen zur Steigerung der Produktivität, aber: Produktivität heisst zumeist, in der gleichen Zeit mehr zu machen. Ich für mich definiere es als «Das gleiche in weniger Zeit machen». Denn schlussendlich bin ich eigentlich ein fauler Mensch – aber das ist dann irgendwann Gegenstand eines eigenen Blogartikels.