«Work-Life-Balance» klingt als Aufhänger im Personalmarketing immer gut, in der konkreten Kommunikation tun sich aber die Unternehmen immer noch sehr schwer. Dies liegt auch daran, dass das Propagierte nicht der Realität entspricht.

Den Schweizer Absolventen ist eine ausgewogene Work-Life-Balance wichtiger als ein hoher Lohn und eine schnelle Karriere. 57% der befragten Frauen und 52% der befragten Männer nannten die Work-Life-Balance gemäss dem Universum Student Survey 2012 als wichtigstes Karriereziel. Dahinter folgen die intellektuelle Herausforderung und die Möglichkeit, unternehmerisch bzw. kreativ tätig sein zu können. Seit 2008 liegt dieses Karriereziel nun unangefochten auf Platz 1, auch die anderen beiden waren seit 2010 konstant. Verloren hat vor allem das Ziel, eine Führungskraft in leitender Funktion bzw. ein Fachexperte zu sein.

Doch was bedeutet Work-Life-Balance überhaupt? Der Begriff ist ja schon sprachlich sehr suggestiv, da Arbeit und das «Leben» gegeneinander ausgespielt werden – als ob die Arbeit nicht Teil des Lebens wäre. Korrekterweise müsste eigentlich die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben stimmen. Wichtig sind den Absolventen im Zusammenhang mit ihrer Work-Life-Balance flexible Arbeitsbedingungen (z.B. Homeoffice), die Kontrolle über die Anzahl Arbeitsstunden und dass der Arbeitgeber es ihnen ermöglicht, persönliche Interessen in den Zeitplan zu integrieren.

Als logische Konsequenz versuchen nun viele Arbeitgeber, die Work-Life-Balance in seine Kommunikation zu integrieren und dem Bewerber aufzuzeigen, dass bei ihrem Unternehmen die Balance eben besonders ausgewogen sei. So zeigt zum Beispiel die KPMG unter dem Slogan «Damit am Ende nicht nur der Kunde gewinnt» einen Mitarbeiter mit Tennis-Tasche auf dem Weg in den Feierabend. Ein anderes Sujet zeigte einen jungen Vater im Freizeitlook am Füttern seines Babys oder eine Kitesurferin: «Ich gebe alles, und KPMG gibt mir meinen Freiraum». Wer viel leistet, verdient sich Freiraum für Familie und Hobbys. Bei der BKW fliesst die Energie der Mitarbeiter an vielen Orten, «vom Tradingfloor bis Proberaum» und «von Windpark bis Fitnesscenter» (Inseratesujets). Auch Novartis, Syngenta und Swisscom thematisieren die Work-Life-Balance aktiv auf ihrer Website und verstehen darunter primär flexible Arbeitszeitmodelle.

Wenn es im Employer Branding ein immer wieder verwendetes Schlagwort gibt, dann ist es «Authentizität»: Verhält es sich mit der Work-Life-Balance denn tatsächlich so wie kommuniziert? Oder erwartet der Arbeitgeber zwar die ständige Erreichbarkeit auch am Wochenende, die Unternehmenskultur lässt es aber nicht zu, auch einmal bereits um 16 Uhr Feierabend zu machen? Aus vielen Gesprächen ist für mich klar, dass hier noch vieles im Argen liegt: Nicht weil die Unternehmen es auf Corporate Level nicht wollen, sondern weil es ungeschriebene Gesetze auf der untersten Stufe, innerhalb der Teams, nicht zulassen. Die meisten fürchten, als nicht leistungswillig, faul oder nicht committed wahrgenommen zu werden. Auch wenn (oder gerade weil) die allermeisten heimlich von dieser Flexibilität träumen.

Es kommt aber noch ein anderer Aspekt hinzu und dieser ist für das Personalmarketing von entscheidender Bedeutung: Will das Unternehmen von aussen so wahrgenommen werden, dass die Mitarbeiter auch mal von zuhause arbeiten, um zum Baby zu schauen, oder 16 Uhr Feierabend machen, um den Sommerabend in der Badi zu geniessen? Welches Image hat das Unternehmen dann bei seinen aktuellen oder künftigen Kunden? Und auch für das Recruiting stellt sich die Herausforderung: Können karriereorientierte High Achievers noch angesprochen werden, wenn man gleichzeitig die Work-Life-Balance fördert und ins Zentrum stellt? Jahrelang lautete der Tenor, dass man nur die Besten (sprich: Leistungswilligen) rekrutiert, und jetzt muss der Arbeitgeber plötzlich nicht mehr immer die Nummer 1 sein?

Dieser Spagat führt mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu, dass die ausgewogene Work-Life-Balance bei den Absolventen zwar wichtigstes Karriereziel bleibt, sich aber kaum ein Unternehmen wagen wird, sich darüber authentisch und längerfristig positionieren zu wollen. Ich freue mich bereits auf den Gegenbeweis!