An verschiedenen Orten hat Kurt Weigelt, der Direktor der Industrie- und Handelskammer St. Gallen-Appenzell, eine «nachlaufende Studiengebühr» propagiert, wonach Studenten nach Abschluss oder Abbruch des Studiums ihre Studiengebühren zurückzahlen müssten. Die Kosten würden sich nach den absolvierten Semestern bemessen, als Durchschnitt geht Weigelt von CHF 92’000 aus. Sein Ziel ist es, Anreize für eine markttaugliche Ausbildung auf der Tertiärstufe zu setzen, damit es möglichst keine Studienabbrecher mehr und nur noch Studenten mit ausbildungsadäquaten Einstiegsstellen gibt.

Der Vorschlag wurde sowohl von den Studierendenorganisationen wie auch von den Bildungsdirektoren sogleich als untauglich verworfen. Ich persönlich finde, dass man durchaus offen über neue Finanzierungsansätze und Anreizsysteme diskutieren darf. Kurt Weigelt hat aber diverse Punkte nicht berücksichtigt, welche in ihrer Summe schlussendlich trotzdem gegen den Vorschlag sprechen.

Die Abzahlung würde in der gleichen Höhe wie die direkte Bundessteuer erfolgen, in Weigelt’s Beispiel ein alleinstehender Absolvent mit CHF 120’000 steuerbarem Einkommen also mit CHF 4’580 pro Jahr. Dies würde einerseits eine Rückzahlungsdauer von 20 Jahren implizieren: Ich frage mich, wieviele 19-jährige Maturanden noch ein Studium wählen, wenn sie wissen, dass sie dann bis 45 am abzahlen sind. Dies führt höchstens zu Zuständen wie in den USA, wo die Absolventen hochverschuldet ins Berufsleben einsteigen (bzw. in die Armee eintreten, weil dann das Studium bezahlt wird). Die Schweiz würde wohl zahlreiche Talente verlieren, nur weil diese aus weniger finanzkräftigen Familien stammen und das finanzielle Risiko eines Studiums nicht auf sich nehmen können. Andererseits wird die Progression nicht berücksichtigt: Steigt das Einkommen in diesem Bereich, steigen die Steuern überproportional: Wenn dann plötzlich zusätzlich zu CHF 10’000-15’000 noch einmal Studiengebühren in gleicher Höhe zurückbezahlt werden müssen, reicht auch ein Absolventenlohn nicht mehr weit. Zumal dies das Alter wäre, wo eigentlich Geld für eine Familie und Wohneigentum gespart werden sollte.

Weigelt stellt Studenten als reine Profiteure dar, welche die in sie getätigten Investitionen zurückvergüten sollen. Er unterschlägt dabei, dass Studenten bis hin zum Studienabschluss schon substantielle Lohneinbussen gegenüber Nicht-Studenten in Kauf nehmen. Ich habe berechnet, dass mich meine vierjährige Dissertation nur schon mindestens CHF 120’000 an Lohnausfällen «gekostet» hat. Ich müsste also während 10 Jahren schon nur CHF 12’000 mehr als ein Nicht-Doktor verdienen, um (nicht kaufkraftbereinigt) meine Investition auszugleichen und ohne dass ich finanziell davon profitiert hätte.

Ausserdem werden die Akademiker nicht zum Selbstzweck ausgebildet, sondern weil die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Politik diese Spezialisten benötigen. Hier stösst Kurt Weigelt grundsätzlich in eine spannende Richtung, denn er geht davon aus, dass mit seinem System mehr «relevante» Studiengänge belegt werden, da man arbeitsmarktfähig sein muss, um die Studiengebühren zurückzubezahlen. Aber kann es Sinn und Zweck sein, nur noch Betriebswirtschafter und Juristen zu produzieren? Wie viele der heutigen Top-Manager haben ursprünglich exotisch als Phil-1er begonnen? Und machen nicht gerade solche Kombinationen vielleicht den Wert einer Unternehmung aus? Und ist es wirklich das gesellschaftliche Ziel, nur noch Absolventen für die Wirtschaft zu «produzieren»? Es ist korrekt, dass viele Absolventen nicht ausbildungsadäquat arbeiten: Aber das ist eine Folge aus der Tatsache, dass für eine Stelle, für welche früher ein KV-Abschluss reichte, heute ein Master in Business Administration gefordert ist – ohne dass die Stelle unbedingt anspruchsvoller wurde. 

Kommt noch das Argument der Studienabbrecher hinzu: Ich habe zahlreiche Beispiele erlebt, wo erfolgreiche Maturanden am Studium gescheitert sind, und Studenten, welche nur knapp die Matura geschafft haben, aber dann im Studium den Knopf geöffnet und einen super Abschluss hingelegt haben. Mit der Rückzahlung der Studiengebühr würde man letztere aber genau von einem Studium abhalten.

Zusammenfassend sehe ich im System der nachlaufenden Studiengebühren zu viele Nachteile bzw. einfach neue Fehlanreize. Statt Personen finanziell zu bestrafen, welche sich auf Tertiärstufe ausbilden lassen, würde ich lieber das Modell der Bildungsgutscheine weiterverfolgen. Damit würde Weigelt’s Ziel, dass Bildung einen «Preis» erhält, ebenfalls erreicht, aber durch positive Anreize.